Whistleblower: NSA speichert über 20 Billionen Daten

In einem Interview mit Democracy Now spricht der frühere NSA-Mitarbeiter William Binney von über 20 Billionen "Transaktionen" - E-Mails, Telefongespräche und andere Daten - welche die NSA von Amerikanern gespeichert habe. Fünf vor zwölf vor der kompletten Überwachung.

Democracy Now ist ein amerikanisches Politmagazin, das weltweit von über 700 Hörfunk-, Fernseh- und Internetsendern gesendet wird. Es wurde 1996 von den beiden Journalisten  Amy Goodman und Juan Gonzalez gegründet, Goodman wurde für die Sendung 2010 mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet, besser bekannt als der alternative Nobelpreis.

Zu Gast war am Dienstag William Binney. Er arbeitete über 30 Jahre für die NSA als Krypto-Mathematiker und stieg in dieser Zeit bis zum Direktor der geopolitischen und militärischen Analysegruppe auf, bevor er 2001 in den Ruhestand ging. In dieser Zeit knackte er zahllose Codes und war maßgeblich an der Entwicklung der Überwachungstechnologien beteiligt, gegen die er heute ankämpft. In der Sendung schätzt er die Zahl der gespeicherten Daten auf die unglaubliche Zahl von 20 Billionen. Von den meisten in den USA versendeten E-Mails habe die NSA eine Kopie, so Binney.

Ermöglicht wird diese Überwachung durch eine geheime Interpretation der Sektion 215 des Patriot Acts, die der amerikanischen Öffentlichkeit vorenthalten wird. Im Artikel Patriot Act: Senatoren enthüllen Gesetzesmissbrauch  berichtete ich von den Senatoren Wyden und Udall, die in der Öffentlichkeit auf diese Interpretation und den Missbrauch des Gesetztes aufmerksam machten.

Damals schrieb ich:

"Bereits im Mai letzten Jahres warnten beide Senatoren vor einer Überdehnung der Kompetenzen durch Sicherheitsbehörden. Laut Wyden gibt es "eine geheime Interpretation" des Patriot Acts, der die wirklichen gesetzlich legitimierten Befugnisse massiv überschreite. Udall meinte, dass "Amerikaner alarmiert wären, wenn sie wüssten, wie dieses Gesetz angewandt wird." 
(...) Doch die beiden stießen überall nur auf taube Ohren, weshalb sie einen Brief an Eric Holder, den Generalbundesanwalt und Leiter des Justizministeriums, schrieben. Darin meinten Wyden und Udall, die amerikanischen Bürger wären "sprachlos", wenn sie von der wirklichen Auslegung des Patriot Acts wüssten."

Beide sitzen im Geheimdienstausschuss des Kongresses und dürften deshalb bestens über die Vorgänge hinter den Kulissen unterrichtet sein.

 

Es ist nicht die einzige Enthüllung Binneys. Im letzten Monat brachte er das NSA-Projekt Stellar Wind im Magazin Wired an die Öffentlichkeit, bei dem mit dem schnellsten Supercomputer der Welt die gesamte Kommunikation in Amerika überwacht werden soll. Alle privaten Emails, Google-Suchanfragen und Telefonate der Amerikaner werden in einer Anlage in Utah, die 2013 in Betrieb gehen soll, zentral erfasst werden, . 

Gesucht wird nach allem: Dem "Inhalt von privaten E-Mails, Handy-Anrufen und Google-Suchanfragen – ebenso wie Parktickets, Reisepläne oder Buchkäufe". Dazu hat die NSA ein Netzwerk von Speicherstationen im ganzen Land eingerichtet und Satelliten und Übertragungskabel angezapft, egal ob sie sich im Meer oder unter der Erde befinden.

Binney hoffte mit dem Wechsel im Weißen Haus, dass solche Projekte gestoppt werden, doch bei Obama und seiner Administration stieß er auf taube Ohren. Bei Democracy Now stellt er sogar fest, dass sich mit Obama nichts gebessert habe, sondern die inländische Überwachung verstärkt wurde. Seine einzige Chance sah er nun darin, das Programm öffentlich zu machen. Die Massenmedien verkniefen sich aber sorgsam jeden Bericht über Stellar Wind. Bereits 2001 warnte Binney angesichts des Data-Mining-Programmes des Nachrichtendienstes vor einem Orwellschen Staat.

Wired beschreibt, wie Binney gegen Ende des Gesprächs mit James Bamford, dem Autor des Artikels, seinen Daumen und Zeigefinger nahe zusammenhält und meint: "Wir sind so weit von einem schlüsselfertigen totalitären Staat entfernt."

Orwell lässt grüßen.


Hier das Interview mit William Binney:

Und die Anhörung im Kongress im Mai des letzten Jahres, in dem die Senatoren Wyden und Udall auf den Missbrauch des Gesetztes aufmerksam machten:

 

Quellen:

Democracy Now: Whistleblower: The NSA is Lying–U.S. Government Has Copies of Most of Your Emails

Wired: The NSA Is Building the Country’s Biggest Spy Center (Watch What You Say)